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Arbeitsunfall: Was tun? Wie Sie den Unfall melden und wer zahlt

In Deutschland werden jährlich über 900.000 Arbeitsunfälle gemeldet, von denen 14.000 bis 15.000 ein „schwerer“ Unfall ist. Zwischen 450 und 500 Arbeitsunfälle pro Jahr enden hierzulande tödlich. Diese Zahlen sollen das Nachdenken darüber anregen, wie sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in so einem Fall richtig verhalten und wie sie sich vor den finanziellen Folgen von Arbeitsunfällen richtig schützen.

Was gilt als Arbeitsunfall?

Aus Sicht der Versicherungen ist ein Arbeitsunfall genauestens definiert. Die Berufsgenossenschaften schließen sich dieser Beschreibung weitgehend an. Demnach sind ein Unfall und somit auch der Arbeitsunfall ein Ereignis,

  • das plötzlich und durch eine Einwirkung von außen passiert, wobei die gängigsten Ereignisse Schläge, Stöße, ein Fall, der Kontakt mit großer Hitze oder Kälte sowie mit brennenden oder ätzenden Flüssigkeiten sind,
  • das zeitlich begrenzt auf das Unfallopfer einwirkt,
  • das unfreiwillig geschieht und
  • das einen Gesundheitsschaden oder den Tod verursacht.

Die Unfallversicherungsträger betrachten das gleichzeitige Auftreten dieser Bedingungen als Voraussetzung für die Definition des Ereignisses als „Arbeitsunfall“. Ein großes Gewicht hat der Passus, dass das Ereignis „von außen“ eingetreten ist. Sollte ein Mitarbeiter einen Herzanfall erleiden und sich beim dadurch ausgelösten Sturz verletzen, so ist dieser kein Arbeitsunfall, für den der betreffende Versicherungsschutz greift.

Wer ist gegen die Folgen eines Arbeitsunfalls versichert?

Versichert sind nach §§2,3 SGB VII die Mitarbeiter laut Gesetz, wenn sie einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, welche die Unfallversicherung einschließt, sowie Versicherte kraft Satzung wie die Unternehmer. Arbeitgeber und Arbeitnehmer genießen also gleichermaßen Versicherungsschutz nach einem Unfall, der als Arbeitsunfall zu klassifizieren ist. Die versicherungspflichtige Tätigkeit muss allerdings die wesentliche Ursache für den Unfall sein. Auch ein Wegeunfall ist ein Arbeitsunfall, wobei der betreffende Unfall auf dem direkten und üblichen Arbeitsweg passiert sein muss. Inwieweit ein Wegeunfall als Arbeitsunfall zu betrachten ist, kann strittig sein. Schon kleine Abweichungen vom Arbeitsweg können den Versicherungsschutz erlöschen lassen. Die betreffenden Bedingungen definiert jede Unfallversicherung daher sehr genau.

Richtiges Verhalten nach einem Arbeitsunfall

Zunächst einmal geht es um Erste Hilfe, die Feststellung von Verletzungen und deren Versorgung durch einen Durchgangsarzt. Dieser verfügt über eine besondere Zulassung der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) und ist als Durchgangsarzt auf die Unfallchirurgie spezialisiert. Bei sehr schweren Verletzungen erfolgt der Transport in ein Krankenhaus. Der nächste Schritt ist die Vorbereitung der Unfallanzeige für die Berufsgenossenschaft, den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer und den gesetzlichen Unfallversicherungsträger. In der Regel veranlasst das Unternehmen die genaue Untersuchung des Arbeitsunfalls, dazu ist es verpflichtet. Auch wenn es selbst gegen etwaige Ansprüche versichert ist, muss es dieser Pflicht nachkommen. Dazu gehören die Beweissicherung und das Anfertigen von Protokollen. Im Einzelnen sind diese Maßnahmen erforderlich:

  • Befragungen des Unfallopfers (soweit möglich), eventueller Zeugen und der verantwortlichen Führungskraft
  • Stellungnahme des Sicherheitsbeauftragten
  • Beiziehung des Betriebsrates
  • Meldung des Arbeitsunfalls an die Berufsgenossenschaft

Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Unfallanzeige ein, die unverzüglich zu erstellen ist. Sie geht an die Berufsgenossenschaft, welche die Betreuung übernimmt. Sollte ein Mitarbeiter nach dem Arbeitsunfall seine Arbeit innerhalb der nächsten drei Tage wieder aufnehmen, ist die Meldung an die Berufsgenossenschaft nicht dringend, es sei denn, es erwachsen Ansprüche auf Verletztengeld. Die meisten Unternehmen melden grundsätzlich jeden Arbeitsunfall sehr schnell an die Berufsgenossenschaft, wozu Experten auch raten. Sollte die Arbeitsunfähigkeit über drei Tage andauern, ist die schnelle Meldung obligatorisch. Bei einem schweren oder gar tödlichen Unfall ist die Berufsgenossenschaft sofort telefonisch zu verständigen.

Wer ist meldepflichtig?

Meldepflichtig ist der Arbeitgeber (§193 Abs. 1 SGB). Diese Meldepflicht besteht auch, wenn der Arbeitnehmer in relativ kurzer Zeit seine Arbeit wieder aufnimmt. Bei nur kurzer Arbeitsunfähigkeit schätzen manche Unternehmen die Folgen als weniger schwerwiegend ein und missachten ihre Meldepflicht, doch das ist ein fataler Fehler. Es könnte der Anspruch auf Verletztengeld erlöschen, wenn der Arbeitsunfall doch zu Spätfolgen führt. Arbeitgeber riskieren in so einem Fall eine Klage des Arbeitnehmers.

Wer erstellt ein ärztliches Attest?

Das Attest zur Arbeitsunfähigkeit erstellt der Durchgangsarzt. Nach dem Arbeitsunfall steht der betroffene Arbeitnehmer unter dem Schutz der DGUV, für den jedoch das Meldeverfahren einzuhalten ist und ebenso das Attest vom Durchgangsarzt eine maßgebliche Rolle spielt. Viele Hausärzte haben identische Fachkenntnisse, doch indem das Unternehmen den betroffenen Mitarbeiter zum Durchgangsarzt schickt, vermeidet es alle versicherungstechnischen Probleme. Die zuständige Berufsgenossenschaft könnte ohne Attestierung durch einen Durchgangsarzt die Leistung verweigern.

Wer zahlt was?

Der betroffene Arbeitnehmer hat Anspruch auf mehrere Leistungen. Damit diese fließen, müssen die drei Bestandteile des Verfahrens (Beweissicherung, Meldepflicht, Durchgangsarzt) ordnungsgemäß abgewickelt worden sein. Es sind diese Ansprüche:

  • Lohn-/Gehaltsfortzahlung: Bis zur Dauer von sechs Wochen zahlt der Arbeitgeber den Lohn/das Gehalt entsprechend dem Durchschnitt der letzten drei Monate. Zulagen und Zuschläge sind inklusive, Fahrtkosten und Überstundenzahlungen sind nicht enthalten.
  • Verletztengeld: Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen an, folgt Verletztengeld, das dem Krankengeld bei einer Erkrankung ohne Unfall entspricht. Das Verletztengeld wird nach dem letzten Bruttogehalt berechnet und entspricht davon 80 % abzüglich der Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Der maximale Zeitraum für Verletztengeld beträgt 72 Wochen. Zusammen mit der Lohn-/Gehaltsfortzahlung ist der Arbeitnehmer somit für 78 Wochen abgesichert.
  • Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt auch die Kosten für eine Rehabilitation und Umschulungen, wozu gegebenenfalls Fahrtkosten und Umbauten in der Wohnung und am Auto gehören können.
  • Bei eintretender Pflegebedürftigkeit zahlt die gesetzliche Unfallversicherung ein Pflegegeld.
  • Wenn ein Gesundheitsschaden mindestens 26 Wochen andauert und die Erwerbsfähigkeit um 20 % oder mehr beeinträchtigt, zahlt die Unfallversicherung eine Unfallrente, die nach dem letzten Einkommen und dem Grad der Beeinträchtigung berechnet wird.
  • Im Todesfall erhalten Angehörige eine Hinterbliebenenrente für die Dauer von zwei Jahren.

Die Rolle der Berufsgenossenschaften

Die Berufsgenossenschaften, die der DGUV untergeordnet sind, organisieren die genannten Leistungen, die Kranken- und Pflegekassen zahlen sie aus. Die Beträge für die Berufsgenossenschaft zahlt dagegen der Arbeitgeber.

Hat der betroffene Arbeitnehmer Anspruch auf Schmerzensgeld?

Nein, grundsätzlich nicht, es sei denn, es hätte jemand (nicht das Unfallopfer selbst) vorsätzlich oder grob fahrlässig den Unfall herbeigeführt. Die Versicherungsträger sind zu Schmerzensgeldzahlungen gar nicht verpflichtet. Der Arbeitgeber und andere Arbeitnehmer sind durch das sogenannte Haftungsprivileg von der Haftung befreit, wenn sie nicht vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit den Unfall verursacht haben (§104 SGB VII). Ein Haftungsprivileg räumt der Gesetzgeber ein, um Betroffene vor ruinösen Forderungen zu schützen. Dennoch kann es einen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit gegeben haben. Beides ist in der Regel nur schwer nachzuweisen.

Vorziehen der Unfallrente

Der Anspruch auf Unfallrente wird erstmals nach einem halben Jahr (26 Wochen) Arbeitsunfähigkeit geprüft. Wenn jedoch durch den Unfall so schwere Verletzungen oder ein anders gearteter Gesundheitsschaden entstanden sind, dass von Beginn an eine andauernde Arbeitsunfähigkeit / Invalidität anzunehmen ist, kann die Unfallversicherung die Rente auch schon unmittelbar nach dem Unfall zahlen.