Arbeitgeber verweigert Home Office: Was nun?
Elementare Differenzen am Arbeitsplatz − vor allem mit der Chefetage − sind immer Ärgernis und Chance zugleich. Reibungspunkte zeigen auf, wo wir im Unternehmen stehen, aber auch, wo möglicherweise die gläserne Decke erreicht ist, die uns zum Weiterziehen animieren könnte. Kaum eine andere Wirtschaftskrise hat sämtlichen Akteuren am Arbeitsmarkt so viel Flexibilität abverlangt wie Corona. Von heute auf morgen ganze Abteilungen ins Home Office auszulagern, war nur ein Bravourstück davon, dessen Gelingen jedoch hauptsächlich den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu verdanken war. Umso ärgerlicher also, wenn sich das bewährte Arbeiten von zuhause aus als unüberwindbare Hürde herausstellen sollte, nun, da es keine Notwendigkeit mehr dafür gibt.
Der Arbeitgeber verweigert Home Office − aber nicht das Gespräch!
Der erste Schritt sollte nicht gleich der Blick auf das Arbeitsrecht sein. Ein Gespräch unter vier Augen mit dem direkten Vorgesetzten, in welchem man (erneut) versucht, sachlich und frei von Emotionen die Gründe für Home Office darzulegen. Im Endeffekt profitieren schließlich beide Seiten davon, wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zufrieden und produktiver sind, konzentriert arbeiten können und sich durch das Entgegenkommen der Chefetage wertgeschätzt fühlen. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, wäre der Weg dorthin der nächste Schritt. Er kann die Situation nicht nur in rechtlicher Hinsicht beleuchten, sondern kennt oft auch betriebsinterne Gegebenheiten, die man zu seinen Gunsten nutzen könnte. Der Wechsel in eine andere Abteilung zum Beispiel wäre hier nur eine Option.
Home Office Regelungen − Was sagt das Arbeitsrecht?
Die schlechte Nachricht zuerst: Eine gesetzliche Grundlage, die einen Anspruch der Dienstnehmer auf Heimarbeit begründet, gibt es (noch) nicht. Da die Arbeitswelt derzeit jedoch so stark im Umbruch ist wie noch nie, dürften hier durchaus noch rechtliche Änderungen zu erwarten sein. In den Niederlanden beispielsweise gibt es das Recht auf Home Office seit 2015. Es wäre jedenfalls höchst angebracht, gesetzliche Regelungen Home Office und Remote Arbeit in naher Zukunft wasserdicht absichern zu lassen. Doch selbst wenn es einen Rechtsanspruch auf Telearbeit gäbe: Welcher Betrieb würde Arbeitnehmer langfristig behalten wollen, die sich ihre Ansprüche am Arbeitsgericht erstreiten? Gewonnen hätte man also nur den Rechtsstreit, verloren wahrscheinlich ziemlich sicher seinen Job. Doch nur weil das Arbeitsgesetz Home Office noch nicht kennt, muss das nicht das Ende jeglicher Diskussion sein. Hier ist jedoch Verhandlungsgeschick und Fingerspitzengefühl gefragt. Notfalls zeigt die verfahrene Situation vielleicht auch an, dass es Zeit für Neues ist.
Home Office verweigert: Was kann man tun?
Arbeitgeber verweigert Home Office: Die Erfahrung, dem Unternehmen kein Entgegenkommen wert zu sein, schmerzt grundsätzlich immer. Besonders langgediente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von den Lockdown-Regelungen bis hin zur Kurzarbeit ihr Maximum an Loyalität dem Betrieb gegenüber hinreichend demonstriert haben, sind enttäuscht. Der Marktmechanismus zwischenmenschlicher Beziehungen lautet Geben und Nehmen. Dies gilt auch für den Arbeitsplatz. Leider sehen viele Unternehmer ihr Geben mit dem Bezahlen von Lohn oder Gehalt bereits als hinreichend erfüllt. Die Folgen davon sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Gekränktes und verprelltes Personal kann mittel- bis langfristig dem Unternehmen großen Schaden zufügen, der auch beziffert werden kann.
Dabei ist in erster Linie gar nicht bewusste Sabotage oder mutwillige Schädigung gemeint. Bereits die innere Kündigung reicht aus, um die Arbeitsleistung zwar unbewusst, dafür aber signifikant zu senken. Mit dieser Information sollte man allerdings nicht das Gespräch beginnen. Tabu ist generell alles, was irgendwie nach Drohung oder Ultimatum klingt. Hier lauert ein Entlassungsgrund, und so weit sollte es nun wirklich nicht kommen. Je nachdem, wie viel das Home Office einem wert ist, kann man der Chefetage anbieten, dafür beispielsweise auf den Fahrtkostenersatz zu verzichten, selbst wenn die Heimarbeit nur einen Tag pro Woche betragen sollte. Steht die Vertrauensfrage im Raum, wird es schon schwieriger. Ein Arbeitsprotokoll anzufertigen kann helfen. In diesem wird − oft sogar im 15-Minuten-Takt − alles mitgeschrieben, was man gerade an Arbeitsleistung erbringt. Allerdings sind Papier und Excel bekanntlich geduldig.
Wenn der Antrag auf Home Office Begründung braucht
Ist das Gesprächsklima noch freundlich und wertschätzend, kann mit sachlichen Argumenten gepunktet werden. Eine vorerst zeitliche Begrenzung der Vereinbarung etwa kann der Chefetage Sicherheit bieten. Eine Einigung auf bestimmte Tätigkeiten, die ab sofort im Home Office ausgeübt werden, dient demselben Zweck. Es gibt Arbeitsschritte in jedem Beruf, die nachgewiesen werden können. Traurig, dass dies überhaupt notwendig ist, aber besser als gar kein Arbeiten von daheim.
Arbeitgeber verweigert Home Office oft aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen. Arbeitsunfälle im Home Office sind möglich, aber auch bereits im Arbeitsrecht ziemlich klar geregelt. Heikler wird es hier schon mit dem Thema Datenschutz. Der Arbeitsplatz zuhause müsste sowohl digital in Sachen IT-Sicherheit, als auch analog vor unbefugten, neugierigen Blicken gesichert sein. Welche Unterlagen das Unternehmen verlassen dürfen und welche nicht, muss unbedingt vorab geklärt und schriftlich vereinbart werden. Das Argument, einen neuen Arbeitsvertrag ausstellen zu müssen, zählt übrigens nicht. Home Office erfordert lediglich eine Zusatzvereinbarung zum bereits bestehenden Arbeitsvertrag. Jenseits aller rechtlichen und formalen Fragen appellieren auch Vorgesetzte gerne an soziale Verantwortung, Integrität und an das Verhältnis der Angestellten zueinander.
Fangfragen wie „Würden Sie denn Kollegin X oder Kollegen Y (oder mich!) denn nicht vermissen?“ sind billige Versuche, emotionale Erpressung als Druckmittel einzusetzen. Selbst Betriebe, die das Wort Betriebskultur nur vom Hörensagen kennen, pochen beim Thema Home Office plötzlich auf Gemeinschaftssinn und kollegiales Miteinander. Hier gilt es unbedingt sachlich zu bleiben. Am besten auf das Verhältnis zur Kollegenwelt gar nicht erst eingehen, sondern die Vorteile eines eigenen, ruhigen Arbeitsplatzes anführen, der nachweislich die Produktivität fördert und die Motivation in ungeahnte Höhen treibt.
Arbeitgeber verweigert Home Office − danke und tschüss?
Bis das Arbeitsgesetz Home Office als Grundrecht definiert, wird es noch viel zu diskutieren, argumentieren und leider auch zu kämpfen geben. Wie alle frustrierenden Situationen im Leben birgt aber auch diese enormes Potenzial für neue Erkenntnisse. Die Arbeit macht wieder Freude und geht locker von der Hand, Disziplin und Eigenverantwortung vorausgesetzt. Allein schon die Tatsache, dass nicht alle Menschen für Home Office geschaffen sind, sagt bereits viel über diese neu entdeckte Seite an uns aus. Wie viel, gilt es zu erforschen. Und wer weiß: Vielleicht schlummert gar ein Unternehmergeist in uns, der schon lange darauf wartet, endlich durchstarten zu dürfen?