Abmahnung wegen Verspätung: Ist das gerechtfertigt?
Im beruflichen Alltag läuft nicht immer alles rund. Sind Arbeitgeber mit den Leistungen von Arbeitnehmern unzufrieden, sprechen sie gelegentlich Abmahnungen aus. Das kann bei Verspätungen und Unpünktlichkeit passieren, doch sie sind noch lange nicht in jedem Fall gerechtfertigt.
Chronische Unpünktlichkeit und Verspätungen
Normalerweise gibts bei der ersten oder bei selten vorkommenden Verspätungen nichts zu meckern. Aus Sicht des Arbeitgebers ist aber eine Rüge angebracht, wenn sich die Vorkommnisse häufen. Die Gründe fürs Zuspätkommen sind vielfältig. Ob Stau, Motivationslosigkeit, Glatteis oder Zugausfälle: Ungünstig, wenn keine Gleitzeit besteht und das Erscheinen nach Plan Pflicht ist. Um Arbeitnehmer auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen, setzt es häufig eine Abmahnung. Kommt es hart auf hart, trägt diese zur Kündigung bei.
Eine Abmahnung wegen Zuspätkommens ist keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen, allerdings besteht auch kein Grund zur Panik. In den meisten Fällen kommt es auf das Verhalten des Mitarbeiters an. Erscheint dieser auch weiterhin unpünktlich, können weitere Abmahnungen oder sogar die Kündigung erfolgen. Ob es sich dann lohnt, gegen die einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses juristisch vorzugehen, muss ein Anwalt beurteilen.
Wie definieren Arbeitgeber Unpünktlichkeit?
Arbeitnehmer müssen sich an die im Arbeits- oder Tarifvertrag stehenden Arbeitszeiten halten. Sind dort keine Angaben zu finden, liegen mündliche Weisungen vonseiten des Arbeitgebers vor. Wer also verspätet am Arbeitsplatz erscheint, verletzt prinzipiell die Arbeitspflicht. Kommt ein Mitarbeiter nur zwei Minuten zu spät, so taucht er nicht zur vorgegebenen Zeit auf. Menschen mit klarem Verstand erachten das lange nicht als Unpünktlichkeit, das Arbeitsrecht hingegen schon. Es kommt zwar nicht auf Sekunden an, doch die Schwelle ist niedrig. Der Haken an der Sache: Selbst eine geringe Verspätung kann Konsequenzen haben und eine Abmahnung nach sich ziehen.
Unpünktlichkeit und Verspätungen bei Gleitzeit
Bei Gleitzeitregelungen stellt sich kaum die Frage, ob Arbeitnehmer unpünktlich sind oder nicht. Jeder kann die Arbeitszeit frei einteilen und somit auch bestimmen, wann der Arbeitstag beginnt. Doch trotz der hohen Flexibilität wird bei Kernarbeitszeiten und Terminen Pünktlichkeit vorausgesetzt. Wurde eine Vertrauensarbeitszeit vereinbart, stehen Arbeitgeber in der Pflicht, die Zeiten zu erfassen. Arbeitnehmer müssen also bei häufigen Verspätungen damit rechnen, dass diese auffallen und sie eine Abmahnung bekommen.
Unpünktlichkeit und Verspätungen lassen sich nicht immer vermeiden
Es gilt, Verspätungen zu vermeiden, um einer Abmahnung von vornherein aus dem Weg zu gehen. Doch ein Verursacher liegt im Arbeitsweg. Grundsätzlich obliegt den Arbeitnehmern die Verantwortung, pünktlich die Arbeit aufzunehmen. Sie müssen also unvorhersehbare Situationen und Ereignisse einkalkulieren. Dazu gehören etwa Verkehrsaufkommen, glatte Straßen und Streiks im ÖPNV – auch die Fahrtauglichkeit des eigenen Pkws ist sicherzustellen. Den Klassiker bei Verspätungen stellt das Verschlafen dar, das gibt aber kaum einer freimütig zu. Ausreden sind daher an der Tagesordnung.
Für eine Abmahnung ist es unerheblich, warum Arbeitnehmer nicht rechtzeitig aus den Federn kommen – egal ob durch die Einnahme von Medikamenten oder nach einer durchgefeierten Nacht. Verspätungen sind nur dann in Ordnung, wenn es sich wirklich um unvorhersehbare Notfälle oder Ausnahmesituationen handelt. Dazu gehören:
- Ein Unfall auf dem Arbeitsweg
- ein plötzlicher Wetterumbruch
- die Pflicht, bei einem Unfall Erste-Hilfe zu leisten
- ein Feuerwehr- oder ein THW-Einsatz bei einem ehrenamtlich tätigen Arbeitnehmer
Das Zuspätkommen ist in vielen Fällen auch bei Arbeitnehmern mit Kindern zu entschuldigen. Das trifft dann zu, wenn die Schule unvorhergesehen ausfällt und sich auf die Schnelle keine Betreuung findet. In solchen Situationen sollte Betroffenen daher keine Abmahnung oder Kündigung drohen.
Wozu sind Abmahnungen gut?
In erster Linie dienen Abmahnungen zur Rüge und zur Warnung von Arbeitnehmern. Sie erhalten diese vorwiegend in schriftlicher Form. Die Dokumente weisen konkret unter Angabe von Ort, Datum und der Zeit auf das Zuspätkommen hin. Gleichzeitig haben sie den Zweck, dem Betroffenen sein Fehlverhalten aufzuzeigen, sodass er sich zukünftig an die betrieblichen Regelungen hält. Damit sich Arbeitnehmer der Situation bewusst sind, enthalten Abmahnungen gleich die Konsequenzen bei Zuwiderhandlung, wozu der Hinweis auf eine drohende Kündigung gehört. Das Schriftstück erfüllt bei einem etwaigen Arbeitsprozess eine Beweisfunktion, vorangegangene Verstöße lassen sich schwarz auf weiß belegen. Abmahnungen müssen die drei Punkte enthalten. Fehlt einer davon, so handelt es sich lediglich um eine Ermahnung, die vor Gericht weit weniger Bestand hat.
Eine einmalige Verspätung ist kein Kündigungsgrund
Arbeitgeber sind vor einer Abmahnung nicht dazu verpflichtet, den jeweiligen Mitarbeiter anzuhören oder zu informieren. Das gilt auch dann, wenn Verspätungen durch unvorhersehbare Ereignisse zustande kamen. Arbeitgeber können bereits bei einem geringfügigen Grund reagieren, doch ein einziges Zuspätkommen darf nicht direkt zur Kündigung führen. Eine einmalige Unpünktlichkeit bedeutet keinen schwerwiegenden Verstoß gegen das Arbeitsrecht. Kommt ein stets pünktlicher Mitarbeiter, der seit Jahren zuverlässig im Betrieb arbeitet, wenige Minuten zu spät, so begründet das keine Abmahnung. Dasselbe trifft für Verspätungen im Sekundenbereich zu, es gilt immer, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Arbeitsrechts zu wahren. Mitarbeiter haben eher Abmahnungen zu befürchten, wenn die Unpünktlichkeit betriebliche Abläufe gefährdet oder dadurch hohe Kosten entstehen.
Was tun bei ungerechtfertigten Abmahnungen wegen Verspätung?
Arbeitsrecht hin oder her: Eine Abmahnung muss nicht anstandslos hingenommen werden. Schließlich kann diese zur Kündigung führen. Im ersten Schritt sollte ein Anwalt für Arbeitsrecht die Abmahnung prüfen. Mitunter stellt sich heraus, dass sie inhaltlich unkorrekt ist oder die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ein Arbeitnehmer oder dessen juristischer Beistand hat zudem die Gelegenheit, ein Schreiben aufzusetzen, in dem die Sicht des Vorfalls geschildert wird. Auf diesem Weg lässt sich fordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu löschen. Darüber hinaus ist ein Gespräch mit dem Betriebsrat sinnvoll, sofern es einen gibt. Bringt alles nichts, sind auch gerichtliche Schritte möglich. Im Regelfall wird das Betriebsklima jedoch auf die Probe gestellt, es kann sich dadurch enorm verschlechtern. Der Gang vor den Kadi ist also erst in Betracht zu ziehen, wenn alle Stricke reißen.