Während der Arbeitszeit zum Arzt: Geht das?
Suchen Sie während der Arbeitszeit einen Arzt auf und sprechen Sie dieses Vorhaben nicht mit dem Arbeitgeber ab, kann dies fatale Folgen haben. Streng genommen verstoßen Sie gegen den Arbeitsvertrag, wenn Sie unentschuldigt nicht zur Arbeit erscheinen. Schon ein einziger Vorfall reicht im Grunde aus und der Arbeitgeber könnte eine Abmahnung aussprechen. Falls sich das Fernbleiben der Arbeit aufgrund eines Arztbesuches wiederholt, droht sogar eine verhaltensbedingte Kündigung. Damit Sie in Zukunft über alle Regelungen Bescheid wissen und auf der sicheren Seite sind, informiert Sie dieser Ratgeber umfassend.
Wann besteht ein Freistellungsanspruch?
Wenn Sie allerdings während der Arbeitszeit so stark erkranken, dass Sie arbeitsunfähig sind, befreit Sie der Arbeitgeber vom Dienst. Wichtig ist allerdings, dass Sie Ihren Vorgesetzten darüber informieren. In diesem Fall ist es also vollkommen gerechtfertigt, einen Arzt aufzusuchen. Da Arztbesuche während der Arbeitszeit eine Privatsache des Arbeitnehmers sind, werden Sie vom Gesetz nur in Ausnahmefällen gestattet. Wenn also keine akute Erkrankung vorliegt, müssen Sie in zumutbarer Weise versuchen, den Arztbesuch in Ihre Freizeit zu legen. Unter Umständen ist es notwendig, sich bei mehreren Ärzten nach einem Termin zu erkundigen. Doch leider ist es oft sehr schwer, einen Arzttermin zu finden. Insbesondere Fachärzte sind meist Monate im Voraus ausgebucht und die Vorlaufzeit ist dementsprechend lange. Man kann sich also glücklich schätzen, überhaupt einen Termin zu bekommen, auch während der Arbeitszeit. Der Arzttermin darf vom Arbeitgeber in diesem Fall angenommen werden, denn es wäre unzumutbar, weitere Wochen oder Monate auf einen neuen Termin beim Arzt zu warten.
Liegt ein solcher Fall vor, spricht man von einem sogenannten Freistellungsanspruch, welcher der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber hat. Der Arbeitnehmer wird also von seiner Arbeitspflicht befreit. Der Freistellungsanspruch gilt sowohl, wenn der Arbeitnehmer krank ist, als, auch wenn er gesund ist. Um Probleme mit dem Arbeitgeber zu umgehen, sollten Sie ihn im Vorhinein über Ihren Arzttermin informieren. Außerdem ist es wichtig, zu begründen, weshalb der Arzttermin nur während der Arbeitszeit stattfinden kann. Dasselbe gilt übrigens, wenn Sie ein Kind oder einen Angehörigen zum Arzt begleiten müssen. Der Arbeitnehmer muss in zumutbarer Weise versuchen, den Arzttermin in die eigene Freizeit zu legen. Obendrein muss die pflegebedürftige Person auf Ihre Begleitung angewiesen sein. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, haben Sie einen Anspruch auf Freistellung.
Arztbesuch im Homeoffice
Wenn Sie öfter im Homeoffice arbeiten, gelten für Sie die gleichen Regelungen wie für andere Mitarbeiter des Betriebs. Sie sind ebenfalls dazu verpflichtet, Ihren direkten Vorgesetzten zeitnah über den Arztbesuch während der Arbeitszeit zu informieren. Bezüglich der Wegzeiten wird Ihr Wohnort als „Betrieb“ gewertet.
Berechtigte und unberechtigte Arztbesuche
Unterschieden wird zudem zwischen berechtigten und unberechtigten Arztbesuchen. Um keine Abmahnung oder im schlimmsten Fall eine Kündigung zu riskieren, sollten Sie den Unterschied zwischen den beiden Begrifflichkeiten kennen.
Der berechtigte Arztbesuch
Wenn der Arztbesuch berechtigt ist, wird Ihr Fernbleiben von der Arbeit entschuldigt und es besteht kein Grund zur Sorge. Für versäumte Arbeitszeiten sind keine Nacharbeiten zu leisten. Außerdem haben Sie Anspruch auf vollen Arbeitslohn. Der Arbeitgeber ist also nicht dazu berechtigt, die versäumte Arbeitszeit vom Lohn abzuziehen. In Sonderfällen darf von dieser Vorschrift abgewichen werden. Achten Sie deshalb auf sämtliche Regelungen im Tarif- oder Arbeitsvertrag. Ebenso müssen Sie Ihrer Informationspflicht gegenüber dem Arbeitgeber nachgehen. Sie sind dazu verpflichtet, Ihren Vorgesetzten über die Dauer und den Grund Ihrer Abwesenheit im Vorhinein zu informieren. Unter Umständen verlangt der Arbeitgeber zusätzlich eine Bestätigung vom Arzt. Wenn Sie Ihren Informationspflichten nicht nachgehen, können Sie abgemahnt werden und müssen im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen.
Der unberechtigte Arztbesuch
Wenn Sie während der Arbeitszeit unberechtigt einen Arztbesuch wahrnehmen, begehen Sie eine Verletzung Ihrer Pflichten. Der Arbeitgeber kann Sie abmahnen oder im schlimmsten Fall sogar eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen.
Arztbesuch als bezahlte Dienstleistung
Doch wie steht es um die Bezahlung von Arbeitnehmern, die einen Termin beim Arzt wahrnehmen? Wenn der Arztbesuch während der Arbeitszeit geschieht und der Arbeitnehmer tatsächlich krank ist, wird der Besuch als bezahlte Dienstleistung gewertet. Sie werden während dieser Zeit also wie üblich entlohnt. In der Praxis kommt es allerdings recht häufig vor, dass nicht immer klar ist, ob eine tatsächliche Krankheit gegeben ist. In diesem Fall muss ein genauer Blick auf die jeweiligen Regelungen geworfen werden.
Grundsätzlich sind Sie dazu verpflichtet, Ihre persönlichen Angelegenheiten in der Freizeit zu erledigen. Es gibt allerdings Fälle, in denen dies nicht möglich ist:
- Akute Schmerzen
- Fieber
- Medizinische Notfälle
- Eingeschränkte Ordinationszeiten
Damit der Arztbesuch als Arbeitszeit gewertet wird, müssen in der Regel folgende Punkte erfüllt werden:
- Es muss sich um eine Untersuchung handeln, die nur zu bestimmten festgesetzten Zeiten angeboten wird (beispielsweise Röntgenaufnahmen, Blutabnahmen oder CT-Aufnahmen)
- Der Termin muss medizinisch notwendig sein
- Es darf in absehbarer Zeit kein Termin außerhalb der Arbeitszeiten verfügbar sein
- Die Arztpraxis darf dem Wunsch des Arbeitnehmers nach einem Termin außerhalb der Arbeitszeiten nicht nachgekommen sein
In diesen Fällen haben Sie Anspruch auf eine bezahlte Freistellung von der Arbeit. Wenn Sie Gleitzeit nutzen, wird die fiktive Normalarbeitszeit als Referenzzeitraum herangezogen. Der Gesetzgeber zählt außerdem die notwendigen Wegzeiten zwischen Ordination und Betrieb zu den zahlungspflichtigen Dienstverhinderungszeiten. Wenn Sie die Ordination von Ihrem eigenen Wohnort aus besuchen, zählen diese Wegzeiten nur in Ausnahmefällen zur zahlungspflichtigen Arbeitszeit. Wenn beispielsweise die Arbeit im Unternehmen vor oder nach dem Ordinationsbesuch innerhalb der Normalarbeitszeit nicht möglich war, erhalten Sie eine Freistellung.
Als Arbeitnehmer genießen Sie überdies das Recht auf die freie Wahl Ihres Arztes. Aus diesem Grund kann es dazu kommen, dass Sie längere Hin- und Rückwege in Kauf nehmen müssen. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall das Recht, die zahlungspflichtige Wegzeit zu kürzen. Er bestimmt dabei ein Ausmaß, das ihm richtig erscheint und bezahlt Sie beispielsweise für je eine Stunde pro Fahrtrichtung.
Die Wegzeiten für den Arztbesuch im Detail
Wegzeiten zwischen Wohnung und Arzt
Wenn Sie den Arzt aus freier Entscheidung heraus aufsuchen, steht die Direktfahrt in Ihrem eigenen Interesse und Sie sparen sich das zwischenzeitige Aufsuchen des Betriebs. In diesem Fall wird nicht die Wegzeit, sondern die Aufenthaltszeit beim Arzt gezählt. Wenn der Arbeitgeber Sie zu einem Arztbesuch auffordert, wird die Wegzeit als Dienstzeit bezahlt.
Wegzeiten zwischen Betrieb und Arzt
Wenn die Wegzeiten zwischen Betrieb und Arzt (und umgekehrt) in die Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers fallen, zählen sie zu den entgeltfortzahlungspflichtigen Wegzeiten.
Wegzeiten bei Gleitzeitvereinbarungen
Wenn der Termin in die fiktive Normalarbeitszeit fällt, ist der Arztbesuch ein Dienstverhinderungsgrund und wird als Arbeitszeit gewertet. Bei Dienstverhinderungen wird dem Gleitzeitrahmen keine Bedeutung beigemessen.
Wichtig: Nicht immer wird ein berechtigter Arztbesuch als bezahlte Freistellung gewertet. Bei tarifgebundenen Unternehmen kann es vorkommen, dass die tariflichen Verträge zur Freistellung abweichende Regelungen beinhalten.
Minusstunden beim Arztbesuch
Bei einem Arztbesuch während der Arbeitszeit können allerdings auch Minusstunden entstehen. Sofern Sie nicht an einer akuten Erkrankung leiden, kann es dazu kommen, dass der Arbeitgeber Ihr Entgelt während der Abwesenheit nicht bezahlt. Bevor Sie sich also zu einem Arztbesuch entscheiden, gilt es einen Blick auf die Regelungen zu werfen. Damit Sie genau über Ihre Rechte und Pflichten Bescheid wissen, sollten Sie sich vor der Terminvergabe ausreichend informieren. Möchten Sie sich impfen lassen, sollten Sie den Arzttermin auf jeden Fall in Ihrer Freizeit wahrnehmen. Impfungen werden als Privatangelegenheit der Arbeitnehmer angesehen und zählen nicht zu berechtigten Arztbesuchen.
Wenn Sie teilzeitbeschäftigt sind und während der Arbeitszeit einen Arzttermin wahrnehmen möchten, führen diese Besuche in den meisten Fällen zu Minusstunden. Dies liegt daran, dass Arbeitnehmer mit einer reduzierten Stundenanzahl imstande sind, Arzttermine außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren. In diesem Fall wird die Freistellung entweder wertmäßig vom Lohn abgezogen oder Sie müssen die fehlenden Stunden aufholen. Sollten Sie allerdings akut erkranken, besteht kein Grund zur Sorge, Sie können den Arzt aufsuchen, nachdem Sie Ihren Vorgesetzten darüber informiert haben. Bei medizinischen Notfällen, in denen schnelles Handeln gefragt ist, fehlt größtenteils die Zeit, um den Arbeitgeber zu informieren. An dieser Stelle muss betont werden, dass die Gesundheit an erster Stelle steht.