Kündigung wegen Corona: Das müssen Sie beachten
Was keine Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg geschafft hat: Ein mikroskopisch kleines Virus hebt die Weltwirtschaft aus den Angeln, und das in noch nie dagewesenem Ausmaß. Ganze Wirtschaftszweige, wie Tourismus oder Gastgewerbe, sind klinisch tot, aber auch viele andere Branchen ringen um ihren Fortbestand. Während der erste Lockdown für die meisten Unternehmen wirtschaftlich noch gerade so zu verschmerzen war, haben die Langzeitfolgen bereits viele Betriebe in den Ruin getrieben. Wenn Überbrückungsversuche, wie Kurzarbeit oder Ausgleichszahlungen von staatlicher Seite, ihre Wirkung verfehlen, folgen betriebsinterne Sparmaßnahmen, die leider oft beim teuersten Posten in der Bilanz ansetzen: die Kündigung des Personals. Verschont bleiben oft nur die wenigen Angestellten, die einem Kündigungsschutz unterliegen.
Kündigungsschutz trotz Corona?
Dem Kündigungsschutzgesetz kommt im deutschen Arbeitsrecht große Bedeutung zu. Die Kündigungsmöglichkeiten durch die Arbeitgeberseite sind dadurch beschränkt, was sozialwidrige und/oder ungerechtfertigte Kündigungen verhindern soll. Begründet muss die Kündigung in jedem Fall sein. Neben der Person und ihrem Verhalten können jedoch auch betriebsbedingte Gründe vorgebracht werden, die im Fall von Corona zum Tragen kommen würden. Darunter fallen jedoch auch nur Betriebe, die mehr als 10 Personen dauerhaft beschäftigen. Für klassische Kleinunternehmen greift das Kündigungsschutzgesetz nicht. Willkürlich Kündigungen aussprechen darf die Dienstgeberseite hier jedoch auch nicht. Die gesetzlich vorgesehenen Fristen müssen − entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit − jedenfalls eingehalten werden. Doch auch sonst gibt es trotz Ausnahmezustand und Pandemie noch einiges zu beachten.
Spezialfälle aufgrund von Corona
Eine personenbedingte Kündigung auszusprechen, weil eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter an COVID-19 erkrankt ist, ist rein rechtlich möglich. Jedoch ist es gleichzeitig an derart strenge und eng definierte Regelungen gebunden, dass sie in der Praxis kaum durchexerziert werden kann. Wird eine verhaltensbedingte Kündigung angestrebt, etwa weil nachgewiesen werden kann, dass die Infektion mit Corona von Mitarbeiterin oder Mitarbeiter bewusst herbeigeführt oder grob fahrlässig in Kauf genommen wurde, schaut die Sache schon anders aus.
Hat sich die Ansteckung allerdings in der Freizeit ereignet, liegt ein Fehlverhalten außerhalb der Dienst- oder Arbeitszeit vor, was wiederum nicht als Kündigungsgrund herangezogen werden darf. Wenn Angestellte sich in ihrer Freizeit jedoch leichtsinnig verhalten, kann der Dienstgeber die Entgeltfortzahlung verweigern. Als Rechtsgrundlage wird hier eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1982 herangezogen, welches das Ausüben von extrem risikoreichen Sportarten in der Freizeit als Beispiel nennt. Sich leichtfertig mit COVID-19 zu infizieren, kann laut Expertenmeinung damit verglichen werden.
Doch auch falsch verstandenes Pflichtgefühl kann unter Umständen ein Auflösen des Dienstverhältnisses nach sich ziehen. Wenn Beschäftigte positiv auf das Coronavirus getestet wurden und dennoch am Arbeitsplatz erscheinen, kann das durchaus gravierende Folgen haben. Kommt es zur Ansteckung der Kollegschaft, wäre hier nämlich ganz klar ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu sehen.
Wer besonderen Kündigungsschutz genießt
Einige Personengruppen stuft das Arbeitsrecht als besonders schützenswert ein. Dazu zählen Betriebsratsmitglieder und die Jugendvertretung, da sozialpartnerschaftliches Engagement automatisch eine heikle Position im Betrieb bedingt. Auch die Familie darf den Angestellten nicht zum Nachteil gereichen. Werdende Mütter, Elternzeitberechtigte und Mitarbeitende, die eine Pflegefreistellung oder eine Pflegekarenz absolvieren, dürfen während dieser Zeit nicht gekündigt werden. Dasselbe gilt für Schwerbehinderte, Grundwehr- und Zivildiener sowie die betriebsinternen Datenschutzbeauftragten. Ein Schutz vor Kündigung aus Altergründen ist übrigens leider ein Mythos. Allerdings verbietet das Arbeitsschutzgesetz die Altersdiskriminierung, was in solchen Fällen eine einseitige Auflösung des Dienstverhältnisses durchaus anfechtbar machen würde.
Betriebsbedingte Kündigung wegen Corona
Wenn der Arbeitgeber letzten Endes den ultimativen Schritt machen muss, um zumindest einen Teil seines Unternehmens noch retten zu können, kann es auch bei Kündigungsschutz zur sogenannten betriebsbedingten Kündigung kommen. Der Kündigungsgrund ist hier schon im Begriff verankert. Ein Fortführen des Betriebes bedarf einer Senkung der Ausgaben und möglicherweise auch struktureller Veränderungen. Die Krise als Ausrede für schlechtes Management und das Streben nach höheren Profiten zu nutzen, erscheint manchen Unternehmern naheliegend und scheint leider ein Nebeneffekt zu sein, den die Pandemie uns beschert.
Beliebig Personal gekündigt werden darf jedoch auch dann nicht. Bei betriebsbedingten Kündigungen ist zumindest das Prinzip der Sozialauswahl anzuwenden. Dieses besagt, dass hauptsächlich oder bevorzugt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gekündigt werden, die die geringste soziale Schutzbedürftigkeit darstellen. Das Auswählen von geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für eine geplante Kündigungsoffensive muss auch in Corona-Zeiten unter diesem Aspekt erfolgen.
Betriebsbedingte Kündigungen setzen allerdings auch eine dauerhaft prekäre Auftragslage im Betrieb voraus. Ob das aufgrund von COVID-19 automatisch immer der Fall ist, darf bezweifelt werden. Die Aussicht auf eine flächendeckende Impfung beispielsweise kann die Zukunftsaussichten für viele Branchen wieder erheblich verbessern. Arbeitgeber sollten daher nur aufgrund der Pandemie nicht darauf vertrauen, dass die Arbeitsgerichte betriebsbedingten Kündigungen automatisch in ihrem Sinne stattgeben.
Ein anderer Spezialfall liegt vor, wenn ein Betrieb trotz Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen ausspricht. Das ist rechtlich möglich und sogar höchstrichterlich abgesichert. Für Unternehmer ist es jedoch sehr riskant. Die Darlegungs- und Beweislast ist diesen Fällen nämlich sehr hoch. Nach Beendigung der Kurzarbeit können jedoch wieder betriebsbedingte Personaleinsparungen stattfinden, unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Regeln.
Plant ein Unternehmen aus langfristig motivierten, strategischen Gründen die betriebsbedingte Kündigung aller Angestellten mit Wiedereinstellungszusage zu einem späteren Zeitpunkt, so ist dies grundsätzlich möglich. Diese Option wird jedoch das Darlegen einer wirtschaftlichen Prognose für den Betriebserfolg für mindestens die nächsten zwölf Monate voraussetzen. Das Wiedereinstellen gekündigten Personals birgt ein weiteres rechtliches Problem: Aufgrund des Vorbeschäftigungsverbots dürfen Arbeitgeber ihren alten, neuen Angestellten nur mehr unbefristete Dienstverträge anbieten. In dieser Situation dürften dann jedoch auf beiden Seiten reifliche Überlegungen angezeigt sein.
Arbeitsrecht gegen Pandemie: Wer gewinnt?
Eine Wirtschaftskrise wie jene, die aktuell durch das Coronavirus bedingt ist, hat es in diesem Ausmaß noch nie gegeben. Auch für sämtliche Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen ist dies eine gänzlich neue Erfahrung. Egal, ob sie in Politik oder Wirtschaft die Fäden ziehen: Auch sie stehen vor noch nie dagewesenen Gegebenheiten. Dennoch mag es einige schwarze Schafe auf Unternehmerseite geben, die Corona nutzen, um längst angedachte Einsparungsmaßnahmen in die Tat umsetzen zu können. Grundsätzlich ist das deutsche Arbeitsrecht sehr detailliert und klar formuliert. Es soll gewährleisten, dass die Interessen beider Seiten in gleichem Maße berücksichtigt werden, wobei die Unternehmerseite von Natur aus die stärkere, weil finanzkräftigere, zu sein scheint. Eine Tendenz zum Schutz der Schwächeren − also der Angestellten − darf im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben aber durchaus erwartet werden.