Zählen Fortbildungen zur Arbeitszeit oder Freizeit?
Arbeitnehmer müssen heutzutage bereit sein, sich durch Fortbildungsmaßnahmen neuen Herausforderungen zu stellen. Dabei erhebt sich die Frage, welche Fortbildungsangebote dem Unternehmen dienen und dementsprechend als Arbeitszeit gezählt werden.
Was definiert Fortbildungsmaßnahmen?
In einer Zeit, in der neue Technologien in rasantem Tempo das Arbeitsleben beeinflussen, möchten viele Mitarbeiter Fortbildungen in Anspruch nehmen. In vielen Branchen ist das problemlos möglich. Mitarbeitende erweitern ihre beruflichen Kompetenzen, erwerben Kenntnisse in neuen Computerprogrammen oder qualifizieren sich für eine weitere Stufe auf der Karriereleiter.
Rechtlich gesehen, ist eine Fortbildung als berufsbezogene Tätigkeit zu verstehen. Diese findet jenseits des Arbeitsplatzes und des Arbeitsverhältnisses statt. Fortbildungsmaßnahmen können auf Initiative von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern vorgeschlagen werden. Sie können allgemeine Bildungsziele verfolgen oder spezifischen Qualifizierungen dienen. Dieser Unterschied ist für die Beantwortung der Frage relevant, ob es sich bei der Fortbildungsmaßnahme um Arbeitszeit handelt oder nicht.
Fortbildung: Freiwillig oder verpflichtend?
Laut EuGH sollten freiwillige und verpflichtende Qualifizierungsmaßnahmen unterschieden werden. So können Fortbildungen vom Arbeitgeber als verpflichtend angesehen oder aber freiwillig mitgemacht und vom Arbeitgeber genehmigt werden.
Bei einer verpflichtenden Teilnahme dürfen auf Workshops verbrachte Stunden als Arbeitszeit angerechnet werden. Sie sind korrekt zu dokumentieren. Bei freiwilligen Weiterbildungsmaßnahmen gilt, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zwar für den Kurs freistellen. Arbeitgeber müssen aber für Stunden außerhalb der Dienstzeiten keinen Freizeitausgleich genehmigen. Oft unterliegt der Ausgleich für Überstunden individuellen Regelungen.
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) beantwortet die Frage, ob und wann Fortbildungsmaßnahmen als Arbeitszeit oder als Freizeit gelten. Demnach gelten Stunden, die der Fortbildung dienen, nur dann als Arbeitszeit, wenn sie mit dem „dienstlichen Interesse“ des Unternehmers kompatibel sind. Der Zeitpunkt der geplanten Maßnahmen spielt bei der Beantwortung dieser Frage keine Rolle. Fortbildungsmaßnahmen können demnach in der Freizeit oder während der Arbeitszeit stattfinden.
Der Arbeitgeber kann bestimmte Weiterbildungsmaßnahmen anordnen. Er muss darüber hinaus den vorgeschlagenen Qualifizierungsmaßnahmen zustimmen. In diesem Fall gelten die Fortbildungszeiten als im dienstlichen Interesse. Sie werden als Arbeitszeit angerechnet. Auch die Kostenübernahme erfolgt meist durch den Arbeitgeber.
Was definiert das „dienstliche Interesse“ des Arbeitgebers?
Fortbildungen können rein persönlichen Interessen von Mitarbeitern dienen. Ohne ein „dienstliches Interesse“ des Arbeitgebers gelten Fortbildungen jedoch nicht als Arbeitszeit. Die geplanten Qualifizierungsmaßnahmen können den Interessen des Unternehmens sogar zuwiderlaufen. Sie können etwa der Qualifizierung für einen besser bezahlten Job in einem anderen Unternehmen dienen. Es muss für Arbeitgeber erkennbare Vorteile erbringen, wenn Mitarbeiter Fortbildungen besuchen.
Um Missverständnissen zuvorzukommen, sollten Mitarbeiter die gewünschten Maßnahmen grundsätzlich mit ihren Vorgesetzten besprechen. Eine Fortbildung liegt im Interesse eines Unternehmens, wenn sie einer Erweiterung der Kompetenzen im bisherigen oder einem neuen Aufgabenfeld dienen soll. Arbeitnehmer, deren Fortbildungsmaßnahmen genehmigt wurden, haben einen Anspruch auf Weiterzahlung ihres Gehalts. Die Kosten für die Bildungsmaßnahme übernehmen Arbeitgeber aber nur, wenn sie den Kurs als verpflichtend für die Mitarbeiter ansehen.
Bei einer freiwilligen Kursteilnahme sollte die Kostenübernahme vorher abgeklärt werden. Gleiches gilt für die Stunden der Qualifizierungsmaßnahme: Um diese als Überstunden abrechnen zu können, bedarf es besonderer Regelungen. Als Gegenleistung für die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen erwarten die Arbeitgeber, dass die freigestellten Mitarbeiter sich bei der Fortbildungsmaßnahme aktiv einbringen. Die Qualifizierung von Mitarbeitern soll schließlich Früchte tragen. Demnach sind die Seminar-Teilnehmer zur Pünktlichkeit ebenso verpflichtet wie zum Durchhalten des Seminars. Für betriebliche Informationen gilt die Vertraulichkeitsklausel.
Freizeitausgleich bei einer Dauer über die Arbeitszeit hinaus?
Wenn eine genehmigte Fortbildung ganz oder zum Teil außerhalb der regulären Arbeitszeiten stattfindet, zählen diese Stunden als Überstunden. Den Anspruch auf Freizeitausgleich nach einer Fortbildung regeln individuelle arbeitsvertragliche Vereinbarungen oder der Tarifvertrag. Wenn im Arbeitsvertrag kein Freizeitausgleich für Fortbildungen festgeschrieben wurde, empfiehlt sich eine schriftliche Genehmigung für die geplante Maßnahme. Meist wird für Überstunden eher ein Freizeitausgleich als ein Gehaltsausgleich gewährt.
Wie sieht es mit dem Kündigungsschutz bei Fortbildungen aus?
Finanziert der Arbeitgeber eine Fortbildung, weil sie im dienstlichen Interesse liegt, tritt ein besonderer Kündigungsschutz in Kraft. Während Mitarbeiter sich mit Genehmigung der Geschäftsleitung weiterbilden, dürfen sie nicht ohne hinreichenden Grund gekündigt werden. Diese Regelung gilt für Fortbildungen, die einen Zusammenhang mit der eigenen beruflichen Tätigkeit erkennen lassen.
Seminare für Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung müssen selbst finanziert werden. Sie fallen als Qualifizierungsmaßnahmen mit Eigennutz nicht unter den besonderen Kündigungsschutz. Als Fortbildungszeiten werden lediglich Bildungsangebote anerkannt, die dienstlichen Zwecken dienen. Seminare und Abendkurse, die Mitarbeiter im eigenen Interesse in ihrer Freizeit besuchen, liegen nicht im dienstlichen Interesse ihres Arbeitgebers. Dafür können folglich weder Arbeitszeit noch Überstunden aufgeschrieben werden. Es besteht auch kein spezieller Kündigungsschutz.
In manchen Tarifverträgen finden sich genauere Regelungen, welche Qualifizierungsmaßnahmen oder Weiterbildungen anerkannt werden. Idealerweise sollten Arbeitnehmer bereits im Arbeitsvertrag die Zusage für bestimmte Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen festschreiben lassen. Davon kann die spätere Kostenübernahme durch ihren Arbeitgeber abhängen.
Außerdem wird festgelegt, was als Arbeitszeit gilt und wie der Ausgleich von Überstunden für die teilnehmenden Arbeitnehmer aussieht. Relevant kann auch die Dokumentation von Fortbildungszeiten werden. Im Rahmen einer Weiterbildung muss laut EuGH eine ausreichend lange Ruhezeit eingehalten werden. Ruhezeiten bedeuten laut Arbeitszeitgesetz: Den Teilnehmern einer Fortbildung muss ausreichend lange Zeit für die Regeneration bleiben. Qualifizierungsmaßnahmen dürfen an Wochentagen maximal acht Stunden dauern.