Von Vollzeit zu Teilzeit wechseln: Vorteile & Nachteile
Der Trend zum Downshifting hält ungebrochen an. Immer mehr Menschen, die es sich finanziell leisten können, reduzieren ihre Wochenarbeitszeit zugunsten ihrer Freizeit. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, die Umsetzung ist es in manchen Fällen leider auch. Denn was für alle Beteiligten vorerst nach einer guten Idee klingt, bedarf sorgfältiger Absprache und Kommunikation. Der Teufel, der auch hier im Detail steckt, hat nämlich viele Gesichter. Die Vorteile und Nachteile einer Teilzeit-Beschäftigung haben wir auf medienhaus-stellenanzeigen.de für Sie zusammengetragen.
Arbeitgeber sind häufig Gewohnheitstiere
Den Angestellten fällt die Umstellung meist exorbitant leicht. Wer bislang 38 oder 40 Wochenstunden bei künstlicher Beleuchtung und schlechter Raumluft zubringen musste, wird keine allzu großen Trennungsängste verspüren, wenn sie oder er ab sofort pünktlich zur Mittagszeit bei strahlendem Sonnenschein hinaus in die Freiheit treten darf. Die Praxis sieht oft leider anders aus. Denn so flexibel wie die glücklichen Mitarbeitenden sind die Arbeitgeber auf der anderen Seite der Medaille nämlich keineswegs, im Gegenteil. Expertinnen und Experten für Organisationsentwicklung in Unternehmen gehen von einer Zeitspanne von zwei bis drei Jahren aus, bis solche strukturellen Veränderungen wie die Verkürzung der Arbeitszeit von Angestellten im Unternehmen und bei deren Entscheidungsträgern angekommen sind.
Anspruch auf Teilzeit und Realität
Es besteht im Prinzip ein Rechtsanspruch auf Verkürzung der Arbeitszeit. Dieser obliegt jedoch sehr eng definierten Voraussetzungen und kann vom Arbeitgeber durch das Beweisen von „betrieblicher Notwendigkeit“ auch recht leicht gekippt werden. Ein gerichtlich erstrittenes neues Arbeitsmodell hat darüber hinaus oft nicht lange Bestand. Unbequeme Angestellte will schließlich niemand gerne haben. Eine einvernehmliche Herabsetzung der Wochenarbeitszeit sollte mit dem Arbeitgeber daher besser von vornherein angestrebt werden. Begründet werden muss dieser Schritt seitens der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters jedoch nicht. Ein Trend der vergangenen Jahre zeigt deutlich: Viel Freude mit Vollzeitarbeitskräften haben Unternehmen ohnehin nur mehr bedingt. Mehr Köpfe − mehr Flexibilität ist die Devise.
Doch selbst wenn die Arbeitszeitverkürzung einvernehmlich und vielleicht aus Kostengründungen sogar höchst willkommen war, gibt es einiges zu beachten. Die neue Arbeitszeitvereinbarung muss umgehend schriftlich dokumentiert und unterfertigt werden. Auch die Arbeitsplatzbeschreibung bedarf einer Überarbeitung. Hierbei ist besondere Vorsicht geboten, da man sich sonst bei halber Arbeitszeit mit gleicher Arbeitslast wiederfindet. Theorie und Praxis geben sich auch hier nicht unbedingt die Hand. Das Abwägen aller bekannten Vor- und Nachteile sollte daher sorgfältig erfolgen, bevor man sich für diesen Schritt entscheidet. Ist im Betrieb die Umstellung von Vollzeit auf Teilzeit einmal erfolgt, gibt es meist kein (einfaches) Zurück mehr.
Die Vorteile: Lebensqualität, Flexibilität, Produktivität und Freiheit
Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Weniger Arbeitszeit bedeutet rein rechnerisch mehr Freizeit und mehr Zeit für die (wirklich) wichtigen Dinge des Lebens. Trotz sozialpartnerschaflicher Errungenschaften, wie Urlaub oder Elternzeit, sind immer mehr Beschäftigte nicht gewillt, ihre Work-Life-Balance aus dem Lot gleiten zu lassen. Wer es sich finanziell leisten kann, zieht die Freizeit immer häufiger vor. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhoffen sich durch Teilzeit auch mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Arbeit. Dies könnte nicht nur für Menschen mit familiären Verpflichtungen von Vorteil sein, auch Pendler, Ehrenamtliche und Werkstudentinnen und Werkstudenten würden dieserart ihre verschiedenen Lebensbereiche besser unter einen Hut bringen können.
Doch auch hier bedarf es einer einvernehmlichen Regelung, auch hier kann sich die Praxis dann oft leider schnell von der perfekten Theorie auf dem Papier verabschieden. Doch Vorteile gibt es nicht nur für die Teilzeitbeschäftigen selbst. Auch die Unternehmen profitieren langfristig davon. Studien zufolge steigt bei Arbeitszeitverkürzung nämlich auch die Produktivität der Mitarbeitenden signifikant. Welchem Umstand das genau geschuldet ist, ist nicht bekannt. Fakt ist hingegen, dass bei einem durchschnittlichen Arbeitstag von acht Stunden im Schnitt nur zwei Stunden Nettoarbeitszeit geleistet werden. Allein schon dieser Umstand sollte ein Umdenken in heimischen Chefetagen bewirken.
Die Nachteile: Gehalt, Arbeitslosengeld, Pension und Sozialneid
Der größte Nachteil ist sicher finanzieller Natur. Dies betrifft nicht nur die Gegenwart, sondern leider auch die ferne Zukunft, wenn es um den Pensionsanspruch und die Rente im Alter geht. Für die Gegenwart reicht es oft schon aus, sich die anfallenden Fixkosten über mehrere Monate hindurch, inklusive der quartalsmäßig anfallenden Zahlungen, vor Augen zu führen. Wenn diese Rechnung aufgeht, sollten unbedingt noch die Online-Rechner der Pensions- und Rentenkassen konsultiert werden. Sie können ein recht brauchbares Ergebnis als Richtwert liefern, mit wie viel Rente man im Alter rechnen kann, sollte eine Arbeitszeitverkürzung in Anspruch genommen werden.
Doch so fern muss die Zukunft gar nicht sein, die aus Teilzeitarbeit einen Nachteil ziehen kann. Bei Verlust des Arbeitsplatzes verringert sich bei Teilzeit auch der Anspruch auf Arbeitslosengeld, da dieses üblicherweise auf Basis des letzten Gehalts berechnet wird. Das wären im schlechtesten Fall 60 Prozent des letzten Nettoverdienstes. Auch hier muss man sich die Gretchenfrage stellen: Geht sich das aus? Diese Frage kann sich übrigens auch auf das zu bewältigende Arbeitspensum nach erfolgter Stundenreduktion beziehen. Trotz schriftlicher Vereinbarung kann die Arbeit trotzdem gleichbleiben.
Mit Diskussionen und Grabenkämpfen muss man grundsätzlich immer rechnen, wenn man diesen Schritt wagt. Leider beziehen sich diese nicht nur auf die Vorgesetzten. Auch Ihre Teammitglieder werden es nicht immer nur mit Wohlwollen betrachten, wenn jemand es wagt, aus dem Hamsterrad der 40 Stunden-Woche auszubrechen und sich Vorteile aneignet, die ihnen anscheinend verwehrt bleiben. Denn in der Außenwirkung lauert gleich die nächste Crux: Außenstehende sehen ausschließlich die Vorteile, die man sich durch eine Arbeitszeitverkürzung erkämpft. Die Nachteile werden, wie ein blinder Fleck, bewusst ignoriert. Unnötig festzuhalten, dass die Zusammenarbeit dadurch in Zukunft nicht gerade leichter wird, obwohl sie es in Summe eigentlich werden sollte. Der Anspruch auf Urlaub oder Elternzeit leidet unter einer Herabsetzung der Wochenarbeitszeit übrigens nicht. Die Urlaubstage werden dann einfach aliquotiert.
Kein Vorteil ohne Nachteil
Es gibt viel zu bedenken am Weg von der Tretmühle in Richtung Selbstverwirklichung. Neben dem finanziellen Aspekt wird sich auch die Arbeit an sich durch die neuen Rahmenbedingungen verändern. Das bedeutet für die Mitarbeitenden leider auch, dass das neue Teilzeit-Arbeitszeitmodell immer wieder kommuniziert und mitunter sogar verteidigt werden muss. Besonders unangenehm wird es, wenn die Arbeitszeitverkürzung sich zwar im Gehalt niederschlägt, aber nicht beim zu bewältigenden Arbeitspensum. Zeitgleich mit der neuen Arbeitszeitvereinbarung gilt es daher unbedingt, auch die Arbeitsplatzbeschreibung so präzise wie möglich neu auszuformulieren. Sonst tritt leider recht rasch das Phänomen „Geteilte Arbeitszeit bei gleicher Arbeit“ auf.